am 21. September 2013
über Brothers: A Tale of Two Sons
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von Sofakissen via blog.raummaschine.de
Die Geschichte zweier Brüder
"Brothers" ist ein schönes Spiel mit einer hässlichen Aussage.
“Brothers” entführt auf eine kurze wie schöne Reise durch eine düstere und fantasievolle Kinderbuchwelt, hinterlässt aber ein Gefühl der leere – und auch ein paar Bauchschmerzen. Der Text enthält Spoiler. Ihr wurdet gewarnt!
Ein kleiner Junge treibt auf einem Boot durch die nächtliche See, hektisch um sich blickend. Er veruscht zu erkennen woher die Hilferufe kommen. Es sind die Rufe seiner Mutter, die hilflos in der See schwimmt. Er greift nach ihrer Hand doch ist zu spät. “Brothers: A Tale of Two Sons” beginnt mit einem Verlust und setzt den Ton für die nächsten drei Stunden. Der kleine Junge muss gemeinsam mit seinem älteren Bruder durch die Welt hinter seinem beschaulichen Heimatdorf reisen um ein Heilmittel für den Todkranken Vater zu finden und so begeben sich die beiden auf eine Reise durch die von Fabelwesen und Monstern belebte Wildnis.
Die Welt erinnert nicht nur wegen dem düsteren Einstieg unweigerlich an Astrid Lindgrens “Brüder Löwenherz” oder “Mio, mein Mio”. Das Abenteuer beginnt im kleinen, mit streitsuchenden Kindern in der Stadt, bellenden Hütehunden auf einer Weide und freundlichen, mit Moos bewachsenen Trollen, doch die Welt wird zunehmend bedrohlicher für die beiden Brüder, je weiter sie sich von ihrem Zuhause entfernen. Später waten sie durch Flüsse aus Blut und durch Wälder voller erhängter Menschen. Zimperlich geht es nicht zu, aber der leicht comichafte Stil schafft es, auch das Grausame aus einer kindlichen Perspektive darzustellen und ein teils böses, aber stimmiges Gesamtbild zu schaffen.
Zwar gestaltet sich die Reise der beiden Brüder sehr linear, dennoch gibt es abseits des Pfades oft kleine Geschichten zu entdecken. Diese sind zwar nicht für das Vorrankommen notwendig, erweitern die Erzählung aber um kleinere Nuancen, erzählen tragische Geschichten oder sorgen für einen kurzen Moment des humoristischen Aufatmens. Bei der Gestaltung wurde viel Mühe in eine liebevolle und detaillierte Umgebung gesteckt. Selbst in der hintersten Ecke des Gebirges wurde noch eine Sitzbank aufgestellt, von der aus die beiden Brüder den Blick in die Weite schweifen lassen können. Ein Blick zurück auf den gerade überwundenen Abgrund oder einer Vorraus auf das, was sie noch erwartet.
“Brothers” möchte vor allem anderen eine Geschichte erzählen und stellt daher so wenige Spielmechaniken wie möglich in den Weg. Ein paar einfache Rätsel müssen gelöst werden und ab und zu wird ein Minimum an Geschichlichkeit gefordert, um einen Gegner zu besiegen. Ansonsten geht es vorrangig um das Erkunden des Weges. Die Steuerung ebenfalls simpel kommt mit einem Analog-Stick zum Bewegen und einer Aktionstaste für jeden Bruder aus. Genau da steht sich das Spiel ein wenig selbst im Weg: Beide Brüder werden gleichzeitig gesteuert, was mitunter verwirrend ist.
Der Minimalismus der Erzählung spiegelt sich auch im Gesprochenen wieder. Es wird ausschließlich in einer Fantasiesprache gesprochen. Die Details sind nicht wichtig, das entscheidende versteht jede_r über teils fast pantomimische Gestik und Gesichtsausdrücke sowie mal deutliche, mal subtilere Symbolik.
Was hingegen nachhaltig bleibt ist das mehr als unwohle Gefühl bei der Darstellung von Frauen. Mag ja sein, dass “Brothers” die Geschichte von Brüdern, Söhnen und Vätern erzählt. Das rechtfertigt noch lange nicht die Palette an sexistischen Stereotypen der weiblichen Nebenfiguren. Das einzige Merkmal der Mutter ist ihre Schönheit und sie stirbt für die charakterliche Weiterentwicklung und Motivationen der männlichen Figuren. Im Spiel ertrinkt sie, für die Handlung stirbt sie in einem Kühlschrank und in einer Traumsequenzt reißt sie als riesengroßes Wesen den kranken Vater in einen Abgrund. Später im Spiel müssen gleich mehrmals Frauen gerettet werden, einmal sogar vor mit Speeren bewaffneten “Ureinwohnern”. Dieser Exploitation-Moment ist nicht nur unnötig und stereotyp, er fällt auch aus dem Gefühl, das das Spiel bis zu diesem Punkt vermittelte und war für mich der Moment, an dem ich emotional ausgestiegen bin. (Zum Trope der “Damsel in Distress” gibt es von Anita Sarkesian.) Gegen Ende wird die sexistischen Darstellungen aber regelrecht misogyn. Das letzte Viertel des Spiele reisen die beiden Brüder in Begleitung eines jungen Mädchens, das immer wieder mit dem älteren flirtet und so für Streit zwischen den beiden Brüdern sorgt. Als das Ziel schon erreicht scheint, entpuppt sie sich als (Männer)mordendes Spinnenmonster. Diese Darstellung von Frauen zieht sich so durch das ganze Spiel und lässt sich nicht ignorieren.
“Brothers” erzählt seine Geschichte einerseits mit viel Liebe zum Detail vor einer wirklich schönen Kulisse und es macht Spaß diese zu Erkunden, aber ich frage mich ob es das allein Wert ist, sich eine teils so problematische Erzählung zu geben. Trotz all der fantasievollen wie dramatischen Ereignisse hinterlässt eine_n das Spiel auch ein merkwürdiges Gefühl der Leere. Am Ende kehrt der jüngere Bruder heim und steht regungslos neben seinem weinend zusammenbrechenden Vater. Er ist der erwachsenere, der Stärkere. Sein Blick aber ist ebenso leer wie das Gefühl, das das Erreichen dieses Punktes bei der_m Spieler _in erzeugt. So bleibt von “Brothers” nicht viel, aber vielleich war eben das das Ziel, irgendwo versteckt auf der Metaebene der Erzählung.
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Dieser Text wurde ursprünglich bei blog.raummaschine.de veröffentlicht.
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