am 24. Oktober 2013
über Meta, Spielejournalismus, The Stanley Parable
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von Sofakissen via blog.raummaschine.de
The Stanley Parable
Vom Spielejournalismus und der Metaebene.
“The Stanley Parable” ist als Idee bereits ein zwei Jahre alt. Die ehemalige kostenlose Modifikation für Half-Life 2 erschien jetzt erneut, überarbeitete als eigenständiges Spiel und wurde von den großen Gaming-Publikationen teils recht ungewohnt besprochen.
Viele Reviews sagen nicht viel über das Spiel, manche versuchen stattdessen selbst dem Humor des Spiels aufzugreifen. Am deutlichsten Jim Sterling, der dem Spiel 10 von 10 Punkten auf der 10-Punkte-Skala zur qualitativen Bewertung von Videospielen gab, und sich einem klassischen Review – beziehungsweise jeglicher Äußerung zu dem Spiel, mit folgenden Zeilen entzog:
How do you review a game like The Stanley Parable? [...] That’s quite simple. You don’t.
Zwischen dem Anfang und dem Ende dieses Zitates schreibt er noch ein paar Worte mehr, alle dazu da um zu erklären – oder besser zu rechtfertigen – warum er nichts über das Spiel schreibt, außer, dass nicht über das Spiel geschrieben werden kann. “Du musst es selbst spielen um es zu verstehen.” Das entspricht in etwa der Marketing-Kampagne eines 1999 erschienen Science-Fiction-Filmes, der mit der Idee einer virtuellen Realität spielt. Der Idee, dass der freie Wille des Menschen nur eine Illusion ist und alles nur ein Spiel, in dem wir selbst die Figuren sind. Wie Meta.
“The Stanley Parable” ist in vielerlei Hinsicht ein wirklich bemerkenswertes und schwer zu beschreibendes Spiel. Ist es überhaupt ein Spiel oder nur ein Witz? Es ist eine so umfassende Parodie auf Videospiele, die Klischees und Beschränkungen des ganzen Mediums und die Frage, was ein Spiel überhaupt ausmacht, dass es schwer ist zu sagen, ob es selbst überhaupt ein Spiel ist. Es macht sich über die gesamte Spieldauer über die Spielenden lustig und gleichzeitig über sich selbst. Es führt vor Augen, was von einem Spiel bleibt, wenn die Mechaniken vollständig gestrichen werden. Es führt viel unsubtiler als etwas Telltales ”choose your own adventure”-Spiele die eigene Machtlosigkeit im narrativen Konstrukt vor Augen.
Es zeigt auch, wie wenig sich das Schreiben über Videospiele vom Schreiben über andere Medien emanzipiert hat. Es lässt sich über Spiele schreiben wie über Filme, es lassen sich Spiele nach vermeintlich objektiven Kriterien bewerten. Aber sobald es komplexer wird, sobald Spiele die Nuancen zwischen unterhaltsamer Motorikübung und passiv erzählter Geschichte ansprechen, fällt das Schreiben darüber schwer. Zu Selbstreferentiell sind Spiele, zu schnell verläuft sich ein Text, so wie dieser hier, in der Metaebene. Zu Komplex sind vielleicht auch die vielen Ebenen, um sie zeitnah zur Deadline zu erfassen, zu formulieren und als fertigen Artikel in das Blogsystem zu speichern. Zu wenig können viele selbst fassen, was sie an Spielen fasziniert.
Auch ich weiß nicht, wie sich Spiele angemessen besprechen lassen. Ich versuche es in letzter Zeit öfter, aber ich sehe mich selbst weit davon entfernt, da zu sein. Aber die zwei Stunden, die ich in “The Stanley Parable” verbrachte, haben mir klar gemacht, dass es vielen so geht. Weite Teile des Spielejournalismus müssen sich vielleicht eingestehen, noch nicht so weit zu sein, noch keine angemessene Form gefunden zu haben, um über dieses Medium zu schreiben. Sich der Herausforderung zu entziehen wäre allerdings in etwa so, als würde eins das Spiel in der Mitte resigniert mit der Erkenntnis beenden, dass der einzige gewinnbringende Zug ist, nicht zu spielen….was in “The Stanley Parable” übrigens eine durchaus legitime Option ist. So wie ich mich dazu entschieden habe, über “The Stanley Parable” zu schreiben und dabei nicht über “The Stanley Parable” zu schreiben. So wie “The Stanley Parable” ein Spiel ist und doch nur ein guter Witz. Und so wie Lesende dieser Worte die freie Wahl haben, ob sie “The Stanley Parable” spielen. Oder eben nicht.
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Dieser Text wurde ursprünglich bei blog.raummaschine.de veröffentlicht.
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