Tod und Spiele

Von den vielen Arten des digitalen Ablebens.

Der Tod ist ein wiederkehrendes Motiv vieler Spiele, die ich in letzter Zeit spielte – und das auf ganz unterschiedliche Arten. Der Tod, beziehungsweise das game over, verbindet auf die eine oder andere Art alle Videospielen und findet gerade in der Indieszene viele kreative Neuformulierungen.

Der Tod als Ereignis mit Konsequenzen

Der permadeath, vorwiegend aus roguelikes, taucht auch zunehmend in anderen Genres auf. Der permanente Tod macht das Ableben zu mehr als eine kurze Unterbrechung des Spiels, sondern etwas mit tatsächlichen Konsequenzen. Sehr emotional setzt das “Shelter” um. Als Eltern-Dachs müssen Spielende ihre fünf Jungen durch eine gefährliche Wildnis in ein neues, sicheres Zuhause führen. Stirbt ein Junges in einem Feuer oder durch ein Raubtier ist es tot – aber die anderen leben noch und das Spiel geht erbarmunglos weiter, ohne dass Zeit zu innehalten bleibt. Es endet erst mit dem Ableben des Elterntiers und in der letzten Pointe ist auch das kein wirkliches Ende, sondern nur ein Teil im Kreislauf der Natur.

Mit spielerischen Konsequenzen konfrontiert hingegen “XOM: Enemy Unknown” Spieler_innen. Die Truppen entwickeln sich mit jeder Mission von unerfahrenen Rekrut_innen zu kampferprobten Soldat_innen. Sterben können sie aber immer noch so einfach wie zu Anfang des Spiels. Und auch wenn ein Einsatz völlig fehl schlägt und das gesamte Team stirbt: die Kampagne geht weiter – nun aber wieder mit unerfahrenen Rekrut_innen. Das Handeln mit Konsequenzen ist auch in Telltale’s choose your own adventure Spielen wie “The Wolf Among Us” oder “The Walking Dead” wichtig. Die Entscheidungen der Spielenden betreffen hier selten nur das eigene Wohlbefinden, sondern meistens die Schicksale anderer – und so können auch wichtige Figuren sterben, und die Geschichte geht von dort an ohne sie weiter.

Der Tod als Thema, nicht als Mechanik

Auch (Nicht)Spiele wie “Dear Esther” oder “Gone Home” thematisieren Tod und Verlust, machen ihn aber nicht selbst zum Spielelement. Diese Spiele vermitteln die Themen eher durch völlige Einsamkeit und das langsame Erzählen einer Geschichte – die aber nicht unbedingt die Geschichte des_r Protagonist_in ist. Mechanisch verzichten sie gleich ganz auf ein game over. Und auch “Brothers: A Tale of Two Sons” befasst sich inhaltlich mit diesen Themen.

Der Tod als Teil des Leveldesigns

Einige Spiele hoben den Tod sogar auf die Metaebene und machten ihn als Mechanik zu einem erforderlichen Teil des Spiels selbst. Bereits in “Doom” musste der Held sterben, um in den nächsten Level – die Hölle – zu gelangen. Bei “Limbo” erschließt sich dem Spielenden die Lösung mancher Rätsel erst durch den unfreiwilligen Tod der Spielfigur. Und bei “Braid” lässt sich die Zeit zurückdrehen und manchmal muss der Held erst sterben, um anschließend wieder aus dem Tod zurückgeholt zu werden, um weiterzukommen.

“Super Meat Boy” erfordert durch seinen hohen Schwierigkeitsgrad in jedem Level mehrere Versuche und führt das den Spielenden nach dem Erreichen des Ziels durch das gleichzeitige Abspielen aller gescheiterten Versuche vor Augen. Die mitunter dutzenden Versionen des Helden rennen und scheitern alle gleichzeitig erneut. Auf sehr selbstreferentielle Art behandelt auch “The Stanley Parable” das Konzept des game over. Der allmächtige Spielleiter, der sich in Form einer Erzählerstimme präsentiert, startet oft frustriert das ganze Spiel wieder von Anfang an neu, weil ihm die Handlungen der Spielfigur Stanley missfallen.

Das sind nur einige kreative Formulierungen des Todes, sowohl als inhaltliches Thema als auch als Selbstreflektion einer der ältesten Spielmechaniken. Und so langsam und evolutionär sich das game over in großen Titeln auch weiterentwickelt, so viel Leben steckt doch in den Umsetzungen dieser kleineren Projekte.

Dieser Text wurde ursprünglich bei blog.raummaschine.de veröffentlicht.

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