A Maze Festival 2014

Many games, much fun, wow: Eindrücke von einem Videospiel-Festival

Vom 9. bis 11. April 2014 fand das 3. A Maze Festival in Berlin statt. Das Festival feiert Indiegames – mit Vorträgen, Diskussionen, Ausstellungen, Awards und Konzerten.

Fast hätte ich von der Veranstaltung nichts mitbekommen, konnte aber im letzten Moment ein Ticket organisieren. Die A Maze war zweiteilig aufgebaut: In eine Konferenz mit Workshops und Vorträgen, die im The WYE stattfand, und in eine Ausstellung im Urban Spree. Das Publikum bestand schätzungsweise zur Hälfte aus Spieleentwickler_innen und Game-Journalist_innen und wirkte ein bisschen wie ein Klassentreffen. Mit entsprechend entspannter Atmosphäre startete ich in die Vorträge.

Der Vortragssaal des WYE war durchweg gut gefüllt. wechselte zwischen Vorträgen, Interviews und Paneldiskussionen. Diese inhaltliche Abwechslung war auch nötig, denn im Gegensatz zu den vorherigen Jahren war die Ausstellung nicht im selben Gebäude untergebracht. Als Reaktion auf die – wie zu hören war – mehr als doppelte Besucher_innen-Anzahl wurde die A Maze auf zwei Locations aufgeteilt. Bei 20 Minuten Fußweg zwischen den Veranstaltungsorten, verbrachte ich den Tag im WYE und den Abend im Urban Spree, statt hin- und her zu wechseln.

Von den 50 Prozent waren sowohl Publikum als auch Vortragende zwar entfernt, aber dennoch war die A Maze nicht die reine Männer-Veranstaltung, die bei einem Gaming-Event vielleicht zu erwarten befürchten wäre.

Zu meinen Highlights gehörten die Talks “Questions over Answers: Reflective Game Design” von Rilla Khaled und Cara Ellison’s “This Is Not My Whole Experience Of Games”. Beide füllten meinen Kopf weniger mit Informationen, sondern vielmehr mit Gedanken und Denkansätzen – über Spieldesign und -journalismus, wie und warum wir spielen, was Spiele mit uns machen und warum über Spiele geschrieben werden sollte.

Einige der Talks, auf die ich im Vorfeld am gespanntesten war, haben mich hingegen weniger überzeugt. Im “Masterclass”-Gespräch, das Dennis Kogel mit dem Braid-Entwickler Jonathan Blow führte, ging es viel um Puzzle-Design und das Zusammenspiel von Mechanik und Narrativ. Stellenweise wirkte er aber etwas zu sehr von The Witness, seinem ersten Spiel seit 2008 überzeugt und befeuerte eher den Hype als wirklich neue Einblicke zu liefern.

Ebenso brachte mir das Panel “Modern Games Criticism” mit Anjin AnhutCara EllisonChris PriestmanDennis Kogel und Lucy Morris wenig neue Erkenntnisse – insbesondere darüber, was moderne Spiele-Kritik denn nun ist. Einige Themen, wie die Beziehung zwischen Games-Journalismus, -entwicklung und -konsument_innen wurden zwar angerissen, aber es ging nie wirklich in eine tiefere, (selbst)kritische Diskussion. So blieb das Panel ein angenehmer Smalltalk unter Kolleg_innen.

Den Abschluss beider Tage bildeten “Hyper Talks”, die Pecha Kucha ähneln: 5 Minuten Redezeit, 15 Sekunden pro Folie. Die Präsentationen, die am Donnerstag vom Forum Indie Arena und freitags von der A Maze organisiert wurden, unterstrichen dass alle, die hier sind, vor allen anderen Dingen Spaß haben.

Spätestens in der Ausstellung wurde das klar. Auf der Fläche des Urban Spree waren frei zugängliche Präsentationstische aus Paletten aufgebaut: Meist mit einem großem Monitor, auf dem das ausgestellte Spiel lief und vor dem Tastaturen, Controller und ab und zu ein Oculus Rift lag. Gelegentlich standen Mitglieder der jeweiligen Entwickler-Teams daneben, selten gab es ausführliche Erklärungen. Jedes neue Spiel lud jede_n Besucher_in zum Entdecken, Experimentieren und Spielen ein.

Selten war eine der Stationen verwaist, stattdessen bildeten sich oft kleinere Ansammlungen von Schaulustigen. Lachend, staunend, wundernd. Das Warten und Anstehen bis eins selbst spielen konnte, steigerte eher noch die Neugier, als dass es langweilig wurde.

Am lautesten zum Lachen brachte mich ein kleiner, unscheinbarer Plastikkasten: die Choosatron Deluxe Adventure Matrix. Mit vier nummerierten Knöpfen lässt sich damit eine “Choose your own Adventure” Geschichte durchspielen – allerdings nicht auf einem Bildschirm und erst recht nicht mit Bildern, sondern auf einem kleinen Streifen Papier im Kassenzettel-Format. Mit jeder getroffenen Entscheidung wird der nächste Abschnitt der Geschichte ausgedruckt. Mit gescheiterten Rennfahrern, moralischen Geheimagenten oder Welten zerstörenden Geschwister-Tieren im Weltraum wird die Geschichte dabei mit jedem Zentimeter Papier, das aus dem Choosatron kommt absurder.

Die meiste Zeit verbrachte ich vor Superhot. Was auf den ersten Blick wie ein minimalistischer Ego-Shooter wirkt, macht bereits beim Zuschauen klar, dass das nicht alles ist. Die Zeit im Spiel läuft nur dann weiter, wenn sich die Spielfigur bewegt. Der Spielfluss, der aus dieser Mischung aus Abwarten, Planen und Bewegen entsteht, ist einzigartig, merkwürdig und auf seine Art äußerst intuitiv. “It’s like a game of chess” kommentierte eine Besucherin, die dem Spiel ebenso fasziniert zusah wie ich.

Wenn es so etwas wie “Trends” auf dem Festival zu entdecken gab, dann war das vermutlich das Experimentieren mit verschiedenen Formen der Interaktion. Das beschränkte sich nicht nur auf diverse Oculus Rift, dazu gehört auch der Choosatron und Spiele wie ROFLPillar, in dem Raupen mit vollem Körpereinsatz gesteuert werden oder Perfect Woman, das letztendlich auch den Preis für das “Most Amazing Game” verliehen bekam. Gesteuert mittels teils unmöglicher Verrenkungen vor einer Kamera, wird der Lebenslauf einer Frau von der Kindheit bis zum Tod bestimmt. Selbst auf der Metaebene setzten sich Spiele mit dem Thema Interaktion auseinander: So versuchen Spielende in Control einfach nur immer kompliziertere Controller zu bedienen.

Spiele, die sich mit mehreren vor einem Bildschirm spielen lassen waren ebenfalls äußerst präsent und hatten mit dem “Human Human Machine” Award, der an Nidhogg ging, sogar eine eigene Preis-Kategorie. Diese Spiele waren es auch, die die größte Aufmerksamkeit auf sich zogen. Duellierende in Nidhogg wurden in teils minutenlang dauernden Partien von allen Seiten angefeuert. Während den Gummibärchen-Prügeleien von Gang Beasts, die im Boxkampf-Stil moderiert wurden, grölte das Publikum. Interessierte versuchten sich beim Zuschauen die Mechaniken von Chalo Chalo und Wojna Taniec zu erschließen.

Leider funktionierten einige Spiele nicht wirklich in der lauten Umgebung: Das merkwürdige Fjords braucht Ruhe zur Einarbeitung, auch von der meditativen Erfahrung in Soundself lenkte der Umgebungslärm zu sehr ab und die Handlung von The Stanley Parable ist einfach zu komplex, um sie in 5 Minuten zu erfassen. Was im Urban Spree umso besser funktionierte, war das Gespräch mit den Menschen hinter den Spielen.

Die Grenzen zwischen Spielenden und Spiele Machenden verschwammen. So fragte sich einer der Entwickler des Guilloinen-Simulators Disunion die selbe Frage wie ich, als ich meinen Kopf über den Weidenkorb beugte: Warum wollen Leute das ausprobieren? Oder wenn beim Smalltalk über Threes und Super Hexagon auf einmal sein eigenes Spiel Super CCatch auf dem iPhone vorführt. Und es irgendwie schade ist, dass Swap Quest nicht immer mit einem Klon des Programmierers  ausgeliefert wird, der Leuten wie mir die Regeln geduldig und haargenau erklärte.

Alle Begegnungen auf der A Maze fanden auf Augenhöhe statt – immer auf der Höhe des Bildschirms, vor dem alle gemeinsam ein neues, spannendes, merkwürdiges beobachteten. Letztendlich hatte ich das Gefühl, dass niemand auf der A Maze war um einen Vortrag zu halten, um ein Spiel vorzustellen oder einen Artikel zu schreiben. Alle waren dort, um zu Spielen.

Wie es sich für ein Game-Festival gehört, gab es am Ende Awards zu gewinnen. Vermutlich auch nur deshalb: Weil es sich eben für ein Game-Festival wohl so gehört. Wirklich wohl schienen sich weder Jury, noch die Ausgezeichneten zu fühlen und so wurde die Vergabe in vage formulierten Kategorien wie “What The Fuck” und “Most Amazing Game” kurz und schmerzlos hinter sich gebracht.

Nach dem formellen Teil ging es schnell wieder zur angenehmeren Merkwürdigkeit zurück, die für mich das A Maze bestimmte: Ein mit schrecklichem Playback performter Pop-Song läutete die Party ein, mit der das Festival spät in der Nacht endete. Die war leicht planlos und irgenwie improvisiert, ein bisschen chaotisch und ein klein wenig durcheinander. So wie die ganze Veranstaltung.

Als ich abends nach Hause kam, klappte ich mein Notebook auf und öffnete einen Texteditor. Aber es gelang mir nicht, Notizen aufzuschreiben. Zu viele Eindrücke, zu viele Gedanken schwirrten noch frisch in meinem Kopf herum. Und so musste ich mich, um diesen Artikel zu schreiben, durch einen unsortierten Haufen Stichworte wühlen. Zwar hatte ich meine Kamera und mein Notebook immer dabei, trotzdem habe ich nur wenige Fotos gemacht – mit meinem Smartphone. Auch die Notizen für diesen Artikel sind lediglich im Kopf entstanden. Sogar getwittert habe ich auf diesem Videospiel-Festival weniger, als auf jedem Konzert. Es gab einfach zu viel zu sehen, hören und spielen.

Dabei habe ich an den zwei Tagen, die ich die A Maze besuchte, nur einen Bruchteil des Programms mitgenommen. Ich sah nicht alle Talks, nahm an keinen Workshops teil, verließ das Urban Spree bevor die Partys richtig in Schwung kamen und schenkte den Installationen im Keller viel zu wenig Beachtung. Und doch bin ich so voll von Impressionen, dass ich mir absolut sicher bin, in diesem Rückblick Vieles vergessen zu haben.

Veranstaltungen wie die A Maze wünsche ich mir mehr, weil sie so viel Spaß machen. Sie sind so wichtig, weil sie besser als jeder Text im Internet zeigen, was Spiele sind und sein können. Der gemeinsame Spaß an Kreativität und unklare Grenzen zwischen denen, die Spiele machen und denen, die sie spielen, weit abseits von der Selbstdarstellerei riesiger, kommerzieller Events, machen die A Maze so besonders.

Als am Freitag Abend der Kopf voll von Eindrücken und die Füße müde vom Stehen waren, verabschiedete ich mich von anderen Besucher_innen. “Ich will eigentlich auch gehen, aber ich kann noch nicht loslassen” wurde mir entgegnet. Zum Glück ist schon in einem Jahr die nächste A Maze. Bis dahin vertreibe ich mir die Zeit einfach mit Videospielen.

1 Kommentar zu “A Maze Festival 2014”

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